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Communicate

Communication

 

Es ist halb sieben und ich stehe am vereinbarten Treffpunkt hinter dem Kinderwohnkomplex. Brianna muss auch bald da sein, ich spüre ihre Schritte vor dem Haus, wie sie sich duckt und versucht - vermutlich - den Blicken der anderen zu entgehen. Ich bin gut geworden, der Radius in dem ich mich ohne Probleme alleine bewegen kann wird größer. Das habe ich Jamey zu verdanken, das weiß ich, aber besonders leicht fällt es mir, wenn ich die Menschen mag und schon des Öfteren um mich hatte. Brianna nähert sich. Ich lächle.

"Hey Gwenny", kichert sie und zieht mich in das Waldstück hinter dem Wohnheim. Da sehen wir uns jetzt immer, weil wir dann austesten können, was wir zusammen erschaffen können. Neulich haben wir in einem meiner Portale zusammen Suppe gekocht. Okay, dass ist nicht so großartig, aber wir fanden es so faszinierend, dass sie in meine Portale eingreifen kann. Und so haben wir auch gemerkt, dass sie sie offen halten kann, durch einzelne Feuerringe, die sie um die Portal-Öffnung erzeugt. Allerdings verbrennt über kurz oder lang auch die inneliegende Welt.

Heute wollen wir die Sache mal austesten und ich hatte Lust den schwedischen Wald zu besuchen in dem ich mit meinen Eltern war. Sie hat versprochen das Portal offen zu halten und ich würde mal hindurchklettern. Nur mal kurz. Ich war noch nie in einer meiner eigenen Welten!

"Bereit?", fragt Brianna und stupst mich an.

"Aber sowas von!", sage ich und nehme mein Knochenmesser aus der Tasche. Mit einer geschickten Bewegung und dem üblichen vibrierenden Gefühl in meiner Brust öffne ich das Portal und ich spüre den Wind aus der Welt strömen, wie die Bäume rauschen, die Vögel zwitschern.

Brianna räuspert sich und es hört sich an als ob ein Toaster angeht, als das Feuer den Rand des Portals berührt. Ich stecke meine Füße durch das Portal und atme tief ein. Es riecht nach Schweden.

In meiner Brust vibriert es weiter. Aber irgendwas ist anders als sonst, anders als in meiner Erinnerung. Ich möchte in die friedlichen Klänge eintauchen. Aber da ist mehr. Ich lausche auf. Ein flüstern dringt durch das Geräusch des Feuers, löst die Kälte ab und intensiviert sie weiter.

 „Warum bist du hier?“ fragt jemand.

"Ich...", stottere ich und sammle mich. Sei mutig. Sei jetzt mutig, rede ich mir ein. "Ich suche meine Eltern. Ich bin... Bin ich in Schweden?"

Die Stimme sagt: "Die Reise war lang. Erinnere dich."

Ich bin verwirrt. Es wird kälter. Ich habe noch mehr Angst, ich zittere, kann kaum noch stehen, japse nach Luft.

"Was bist du? An was soll ich mich erinnern? Wo bin ich?" Und ehe ich mich beherrschen kann, laufen mir Tränen aus den Augen. Ich habe solche Angst, ich bin allein hier drin. Was passiert hier und: wo sind meine Eltern? Sie sollten doch hier sein? Ich halte mir die Ohren zu und breche auf der Stelle zusammen. "Wer bist du? Wo bin ich?"

Durch meine Hände lausche ich, als wollte ich gleichzeitig hören und nichts hören. Es hat noch nicht aufgehört. Nein, es kommt mir sogar lauter vor, und die Stimme, die nun spricht, scheint eine andere zu sein:

„Hab keine Angst. Das ist nur Kommunikation.“

Es ist nicht auditiv. Es ist in meinen Kopf, ich kann sie nicht loswerden oder übertönen, die Stimmen jagen sich darin und es ist nicht mehr auszuhalten. Ich höre es durch eine andere Ebene. Als hätte ich ein Portal in meinem Kopf geöffnet und nun sind sie da. Sie gehen nicht weg. Ich beginne zu zittern während neben mit die kalten Flammen nach mir greifen. Die Farbe löscht sich aus. Sie wollen mich fressen. Ich... Ich zittere. Suche Schutz in meinem Kopf.

Doch die erste Stimme meldet sich zurück.

"Wer bist du?

Wie bist du geformt worden, im weiten Ozean der Schöpfung?

Wir sind für die Sterne gemacht.

Du existierst innerhalb der Grenzen von Raum und Zeit, und darüber hinaus.

Befreie dich."

Ich kann nicht mehr handeln. Ich weiß nicht was ich tun soll als mir den Kopf zwischen die Knie zu klemmen und zu schaukeln. 'Geht weg', denke ich angestrengt und spüre wie die Tränen über mein Gesicht laufen, aber die Flammen lassen sie fast gefrieren. 'Geht bitte weg.' Doch was auch immer mit mir spricht geht nicht weg. Im Gegenteil, plötzlich erhebt sich eine weitere Stimme in meinem Kopf die den ersten zu antworten scheint:

"Ihr seid die Stimmen in meinem Kopf. Ihr seid gekommen, um mich zu verschlingen."

Ich öffne meine Augen. Ich hoffe das es etwas ändert und schreie in das niederbrennende Portal: "NEIN! IHR SEID STIMMEN IN MEINEM KOPF! RAUS! RAUS! RAUS MIT EUCH!" Ich stöhne, höre aus der Ferne Briannas Stimme, die angstverzerrt meinen Namen ruft, doch ich kann nicht auf noch das bearbeiten. Ich kann einfach nicht mehr.

Die erste Stimme scheint zu antworten:

"Ist das deine Wirklichkeit?

Du kannst sehen. Was siehst du?", während die zweite dazwischenfunkt mit: "Visionen in deinen Augen!" und die erste wieder sagt:

"Dass alles aus den Webmustern von Klang und Licht besteht?

Aus Echos und aus Regenbögen, Puzzleteilen des Unendlichen.

Erinnere dich."

Ich erstarre. Visionen in meinen Augen? Kann sie sehen was ich sehe? Sieht sie meine Welt als Schnittstelle zu ihrer? Kann sie mich gar nicht hören? Geht es um mich?

Meine Tränen versiegen. Mein Herz schlägt schneller, meine Atemfrequenz steigt. Ich habe Angst. Unfassbare Angst das jemand die Frequenz meines Gehirns nutzt. Das scheint eine andere Dimension zu sein. Etwas, was ich gar nicht sehen darf, etwas was rein auditiv funktioniert. Und sie antworten mir nicht wirklich. Die unterhalten sich. Das realisiere ich, als die dritte Stimme mir wieder die Worte aus dem Mund nimmt:

„Ich will nicht mehr. Ich will, dass es aufhört. Ich kann nicht...“ spricht sie leiser und wird von der Zweiten unterbrochen:

"Es liegt in unserer Natur, nach mehr zu streben. Bekämpfe das nicht! Bald wird es keine Grenzen mehr geben."

Stille. Nur das Knistern des Feuers, dass die Farben frisst dringt an mein Ohr. Als hätte jemand das Walkie Talkie in meinem Kopf ausgestellt, als würde er Schweigen, lauern. Oder ich habe ihm und ihr und der anderen ihr doch den Zutritt verweigert zu der Welt meiner Gedanken. Es wird kälter. Briannas Schrei dringt an mein Ohr und geht mir durch Mark und Bein: "DU BRENNST!", schreit sie und ich klettere aus dem Portal, stolpere halb aus dem schwedischen Wald und lande hinter dem Kinderwohnheim der UnEsCo auf dem Boden zu Briannas Füßen.

"Was war das?", brüllt sie mich weiter an. "Du bist fast verbrannt und dann sahst du aus als ob du dich einfach... Auflöst und... Was zum Geier hast du da geschrien? Mit wem hast du geredet?"

Ich rapple mich auf, schließe das Portal, beruhige mich erst, als es dieses Zipp-Geräusch macht, dass mir verspricht, dass es vorbei ist. Das die Welt nicht wieder kommen kann, dass sie nicht heraus kommen kann und ich wieder in meiner Welt bin in der ich nichts mehr teilen muss. Keine Sorgen aus den Portalen muss ich mit nehmen. Hier bin ich sicher. Jackson. Ich muss zu Jackson.

Vorsichtig ziehe ich mich an Brianna hoch. "Ich bin besessen.", murmele ich. "Da waren Stimmen in meinem Kopf, Bria. Ich..."

Und plötzlich schaltet sich die Stimme wieder zu. Schreiend halte ich mir die Ohren zu. Es kam also nicht aus dem Portal. Es hatte damit nichts zu tun. Es ist hier. Sie sind hier, sie sind in mir, ich kann sie nicht ablegen. Die erste Stimme sagt:

"Bist du müde?

Erinnere dich, wer du bist. Du bist nicht allein. Du bist nie verloren.

Das ist deine Heimat, die sich ausbreitet

Über die Grenzen von Zeit und Raum hinaus.

Strecke dich nach dem Himmel. Überquere die Brücke ins Endlose.

Das ist eine Tür. Du hältst den Schlüssel. Öffne sie."

Ich sacke zusammen, ich rolle mich auf der Erde zusammen, schreie, weine, Strample. Spricht sie mit mir? Meint sie diesmal mich?"Wer bist du?", wimmere ich, während ich auf dem Boden liege und Brianna anfängt um Hilfe zu schreien. Laut. Sehr laut. Und währenddessen versiegen meine Tränen. Ein kalter Schauer zieht sich durch meinen ganzen Körper als die vierte Stimme antwortet:

"Komm zu mir.

Verleugne mich nicht. Ich bin dein alter Dämon.

Verschmelze, werde eins mit mir. Ich bin dein neuer Teufel."

Eine uralte tiefsitzende Angst ergreift mich, greift nach meinem Herzen, umschließt mein Gehirn und ich verliere das Bewusstsein. Brianna schreit.

Jackson machte ein ernstes Gesicht. Sie hatte mehrere Seiten Papier in kleinen Buchstaben zusammengeschrieben; nach einigen Fragen waren diese Bleistiftspuren mit noch einer Schicht roter und blauer Kommentare versehen. Als sie schließlich einige Sekunden dagesessen hatte, hinter ihrem riesigen Schreibtisch, und Gwen nachdenklich angestarrt hatte, ging ihr Blick zu James über. „Es tut mir Leid.“ Begann sie mit einem Räuspern und holte tief Luft. „Aber es führt kein Weg vorbei. Ich glaube, jetzt ist klar, dass es keinen Weg zurück gibt.“

Gwen, neben ihrem Betreuer in einer Kugel zusammengerollt hockend, war zu rhythmisch schaukelnden Bewegungen zurückgekehrt. Ihr Schluchzen war noch zu hören, aber leiser und weniger heftig. Man konnte nicht genau sagen, was sie um sich herum wahrnahm; das schien Jackson in diesem Moment aber nicht allzu sehr zu stören. Auch Jamie hielt sich nicht lange zurück. „Es wurde schon genug versucht.“ Machte er einen Versuch des Rückzugs. Gleichzeitig strich er seinem kleinen Schützling etwas hastiger über das blonde Köpfchen. „Wieder und wieder. Sie hätte nicht mit hineingezogen werden dürfen. Von Anfang an nicht.“ „Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal darüber nachgedacht haben, aber Gwendolyns Schicksal war so ziemlich entschieden, bevor sie zum ersten Mal in mein Büro gebracht wurde.“ Bemerkte Jackson kühl, aber auch mit einem gewissen Groll in der Stimme. „Jetzt ist es definitiv zu spät, davor davonzulaufen. Jetzt, wo sie uns selbst zu einer wichtigen Spur geführt hat.“

Sie tätigte einen vielleicht drei Sekunden andauernden Sprachanruf innerhalb der Abteilung; wenige Sekunden später erschien eine weißgekleidete Mitarbeiterin der Krankenstation und hatte, ehe Jamie sich richtig darauf vorbereiten konnte, dem kleinen Mädchen eine Spritze in den Oberarm verabreicht. Ein Kollege tauchte auf, um ihr beim Tragen zu helfen, aber das war nicht nötig. Bis zum Transportbett waren es nur wenige Schritte, und was wog Gwen schon?

 

Kälte. Als ich erwache, bin ich nur in die dünne Krankenhausbekleidung des Trainingszentrums gehüllt, liege auf einem der Krankenhausbetten auf Rädern. Das Gefühl kenne ich gut. Ein wenig zu gut vielleicht. Die Fragen, die sich mir nun stelle, kann aber keiner beantworten, denn um mich scheint absolut kein Mensch zu sein – dem Hall zufolge befinde ich mich in einem kleinen, ziemlich leeren Zimmer. Eher einem kurzen Flur, wenn ich mir das so ansehe, einem Übergangsraum, der mindestens zwei Türen verbindet. Stimmen sind hinter einer von ihnen zu hören. Leute unterhalten sich, das ist gut, das bedeutet, ich bin nicht alleine. Ich sehe mir die Deckenleisten an, fokussiere mich ein bisschen und versuche die Stimmen zu verstehen... Aber es geht nicht. Was soll's, denke ich, ist ja niemand da. Also will ich aufstehen doch... Etwas hält mich fest. Die Arme kann ich nicht heben, etwas beißt bei dem Versuch in die Haut meines Handgelenks, wie eine ätzende Flüssigkeit, ebenso an den Füßen. Ich hebe den Kopf, Panik kriecht in mir hoch. Wo bin ich. Warum bin ich hier? Wieso diesmal? Was...? Etwas knarzt in meinem Kopf, ein mechanisches Geräusch, als ob eine Tür aufgeht, als ob sich eine Luke öffnet und jemand in mein Gehirn tritt:

"Wo willst du hin?

Möge ein jeder frei sein,

frei von Leid und den Ursprüngen des Leids."

Da ist sie wieder. Diese Stimme. Sie ist mir im Wald begegnet und mein Körper bebt, ich will die Arme an den Kopf heben, will schreien, aber beiße mir auf die Lippe. Ich weiß nicht, ob sie mich diesmal hören können. Meine Familie lebt hier, ich darf sie nicht gefährden.

Während mein Innerstes zittert, erhebt sich Stimme Nummer 4:

"Diese Welt wird niemals ein besserer Ort."

Ich höre ihr zu. Spüre ihren Groll. Meine Angst wächst mit jeder Sekunde und ich presse die Augen zusammen, halt efür ein paar Sekunden die Luft an, ich will sie ersticken, diese Stimmen in meinem Kopf, will ihnen die Luft nehmen, auch wenn es nur meine ist, über die ich Macht habe. Als ich spüre, dass ich unbedingt atmen muss, japse ich fast nach Luft und Stimme Nummer eins sagt:

"Zerreiß die Fesseln.

Öffne das Portal.

Kehre zurück zu den Quellen des Bewusstseins."

Ich sehe an mir hinab. Meint sie diesmal mich? Wie kann sie von den Fesseln wissen? Von dem Portal? Von mir? In mir zieht sich alles zusammen. Angst. Neugier. Abenteuer. Das Bedürfnis meine Lieben zu schützen und ich spreche in den Raum hinein:  "Welches Portal soll ich dir öffnen?"

Ein lautes metallisches Geräusch unterbricht meine Gedankenunterhaltung, stört meine Konzentration. Eine Schwester betritt den Raum. Ich sehe sie an. Schockiert, panisch. Geh weg, denke ich, geh doch bitte weg. Wenn die Stimme in meinem Kopf antwortet und die Frau da ist...

Doch die Schwester ignoriert mich fast, ich atme unentspannt aus, versuche nicht zu hyperventilieren.

"Sie ist wach.", sagt die Schwester. Ich sehe sie an. Will ihr bedeuten, dass sie gehen soll, es ist nicht sicher. Dann sehe ich Jackson. Sofort fühle ich mich kleiner, spüre, dass ich nicht mehr stark sein muss wenn sie da ist. Sie passt immer auf mich auf. Von Anfang an. Auch wenn ihre Art sehr... Sehr... Kalt ist.

"Das ist in Ordnung.", meint Jackson. Ihr Tonfall ist konzentriert, effizient. In ihrer Manier schiebt sie sich die Brille den Nasenrücken nach oben. "Das können wir ohnehin nicht vermeiden. Geben Sie ihr das Mittel.“ Meint sie zur Krankenschwester.

Das Mittel muss ich trinken, und es löst meine Starre in wenigen Sekunden. Jetzt ist es auch leichter, den Raum um mich herum wieder klar wahrzunehmen. Die Schwester ist gerade gegangen, jetzt sind Jackson und ich die einzigen hier. Sonst gibt es noch einige Computer und andere Maschinen, die leise Geräusche machen. Viel mehr sicher nicht. Auch die Stimmen sind weg.

"Sie waren hier.", flüstere ich, hoffe, sie hört es. Ich weiß nicht wer zuhört, wer meine Gedanken hört. Ich sehe sie nur an und warte, während mein Herz schneller schlägt.

 

„Die Stimmen?“ Jackson schien einen Moment überrascht. Sie erforschte Gwens – nun willlenstarken – Gesichtsausdruck und nickte ein wenig gedankenverloren, während das Mädchen die Frage bejahte. Lange war die Einsatzleitung jedoch nicht aus dem Konzept zu bringen. „Die Stimmen.“ Wiederholte die Frau nun einem zufriedenen Tonfall. „Sehr gut. Wenn sie da sind, können wir ihnen ein Ende bereiten. Das werden wir machen. Versprochen. Aber zuerst musst du mir ganz genau erzählen, was die Stimmen diesmal zu sagen hatten.“ Sie hatte ein kleines Aufnahmegerät zur Hand genommen und hielt es dem Mädchen hin.

Jackson atmete kaum, während sie Gwens Wiedergabe des eben Gehörten lauschte. Sie wollte es wörtlich haben, so genau wie möglich, ohne Störgeräusche. Dennoch war eine gewisse Spannung zu spüren, als würde sie planen, etwas Wichtiges anzufügen. Das tat Jackson am Ende auch. „Gwendolyn, du solltest wissen, dass sie nicht zu dir sprechen. Auch, wenn es vielleicht so wirkt. Es geht um Portale, und Fesseln und all das, und es scheint, als ob sie genau von dem reden, was du gerade durchmachst, und von dir überhaupt. Aber ich bezweifle, dass du der tatsächliche Adressat bist.“

 

Ich spüre, wie meine Unterlippe beginnt zu zittern. Wie sich meine Augen mit Tränen füllen. "Dann ist es... Dann bin ich nicht gemeint?"Ich schlucke. "Aber... Aber wieso höre ich sie dann.", frage ich eindringlich. In Jacksons Blick suche ich etwas, irgendetwas das mir den Hinweis darauf geben kann, was hier mit mir passiert. "Bin ich... Also bin ich eine Art außerirdischer Radiosender?"

In dem Moment klackt es erneut metallisch in meinem Kopf und ich reiße die Augen auf. Während die Stimme spricht, wiederhole ich es Wort für Wort: "Du hast alles, was du brauchst, nimm meine Hand und folge mir." Kurz konzentriere ich mich. "Stimme zwei ist das.", gebe ich an und versuche wieder zu verstehen, was in meinem Kopf passiert, wieso sie dort sind, woher diese Visionen kommen, doch dann spricht eine andere Stimme weiter: "Kehre zurück zu der Quellen des Bewusstseins. Erinnere dich, erinnere dich daran, wer du bist, geformt in den Meeren von Chaos und Schöpfung."

Ich sehe Jackson an. "Das war Stimme eins."

Jackson hatte sich wohl geduldig darauf vorbereitet, Gwen zu antworten; als dann der neue Anfall einsetzte, gerieht sie in einen ganz anderen Modus. Ein paar Sätze lang starrte sie das Mädchen mit größter Aufmerksamkeit an, dann griff sie nach ihren Händen. „Kannst du aufstehen?“ Bevor eine Antwort folgen konnte, hatte die Frau Gwen schon vom Bett runter auf die Füße gezogen. „Schnell, wir müssen dich auf den Stuhl setzen. Pass auf Gwendolyn, das ist jetzt sehr, sehr wichtig.“ „Dein Ende erwartet dich dort.“ Murmelte das Kind. „Stimme Nummer 4.“ Jackson zögerte einen Moment, als diese neue Nachricht kam. Dann, hastig und unerwartet, nahm sie das Kind, das vor ihr stand, auf den Arm und trug es ein paar Schritte. Ziemlich unsanft landete Gwens – vor Schock fast leblos wirkender - Körper auf einer nur leicht gepolsterten, sterilen Liege. „Also, du bist ja ein starkes Mädchen. Ich weiß das. Und es gibt jemand, dem wir helfen müssen. Der Person, mit der diese Stimmen reden. Das können wir nur, wenn du mitmachst.“ Widerworte gab das Mädchen schonmal keine, sie saß nur da mit ihren weit offenen, weißen Augen, mit den Fingern nun an den Armlehnen festgekrallt. Sie saß ruhig genug da, dass Jackson eine Haube, die an einem beweglichen Stahlarm befestigt war, nach unten fahren und mit wenig Abstand über ihrem Kopf postieren konnte. Die Noppen, die aus dem Helm auf ihren Kopf herunterfielen, positionierte die Teamleitung dann hastig an speziellen Stellen des Schädels, die sie wohl auswendig kannte. „So, Gwendolyn. Damit wir eine Möglichkeit haben, diesem Menschen zu helfen, der ziemlich ähnliche Dinge durchmacht wie du – und damit dir – müssen wir jetzt etwas versuchen. Wir müssen ein Portal öffnen.“ „Wer bist du?“ kam es wie eine Antwort aus dem Mund des Mädchens zurück. „Wie hast du dich geformt, in den Ozeanen der Existenz? Erste Stimme. „Genau, gut, bleib - bleib dabei.“ Lobte Jackson schnell. Sie war schon dabei, an einem Monitor Einstellungen zu bearbeiten. „Einen Moment noch – dann geht es los. Es könnte kurz etwas unangenehm werden.“ Das bekam Gwen schon nicht mehr so richtig mit, während sie „Ist das die Wirklichkeit, eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt?“ flüsterte. Die letzten Dinge, an sich das Mädchen nach dem Aufwachen erinnerte, waren ein plötzlicher, den Körper vom Kopf aus durchziehender Schmerzimpuls, und Jacksons Worte: „Das wäre die Stromversorgung.“

 

Nachspiel

Es war nicht das erste Mal, dass die Rückkehr von einem Einsatz abrupt und unter weniger als perfekten Umständen vor sich ging. Im Gegensatz zum letzen Mal war Jackson als Hauptverantwortliche schonmal so ähnlich wie ansprechbar – nur in der Hinsicht nicht, dass sie alle Hände voll zu haben schien, um das entstandene Chaos mithilfe von vielen Anweisungen und Anrufen in Ordnung zu bringen. Das allein überraschte wohl keinen. Nach den mehr als verwirrenden Ereignissen, die vielen Beteiligten Anlass gab, ihre mentale Gesundheit in Frage zu stellen, wurde die Ankunft eines militärischen Einsatztrupps auch ohne Weiteres hingenommen.

Die Hubschrauber waren noch im Landeanflug, als Jackson zu ihrem eigenen Trupp stieß, der sich bereits beim Auto versammelt hatte. „Du übernimmst.“ Wandte sie sich an Jay und deutete zum Fahrerplatz. Sie selbst warf ihre kleine Reisetasche in den Kofferraum und ließ sich auf den Beifahrerplatz plumsen. „Navigator müsste in Voreinstellung sein. Es darf ruhig schnell gehen, aber bitte die Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht mehr als 10 Meilen in der Stunde überschreiten.“ Während der Fahrt störten die vorbeiziehenden bunten Wiesen, die großen Seen und die kleinen Orte der kanadischen Landschaft Jackson überhaupt nicht bei der konzentrierten Bedienung ihres Smartphones. Auch die Gespräche ihrer Rekruten schien die Einsatzleitung vollkommen auszublenden.

Jay nickte knapp. „Geht klar.“ Dann schwang er sich auf den Fahrersitz. Eigentlich hatte er partout keine Lust, mit Navi zu fahren. Er hasste diese Dinger. Aber es nützte ja nichts. Glücklicherweise ließ sich die Adresse des Flughafens dann doch recht schnell finden. Während die Sprachausgabe schon die ersten Anweisungen durchgab, startete Jay den Motor und lenkte das Auto aus der Parklücke. Nur wenig später verließ der Wagen samt Insassen das Grundstück des Swan River Rehabilitation Centers. Jackson hatte sich sofort ausgeklinkt. Sie schien abwesend, doch Jay hielt sich trotzdem so genau wie möglich an ihre Anweisungen. Man wusste ja nie. Er traute seiner Vorgesetzten so ziemlich alles zu. Vermutlich hätte sie selbst mit verbundenen Augen noch den genauen Tacho-Stand ansagen können. Während der junge Esper das Auto über die Landstraßen führte, tat er es seiner Chefin gleich und versank vorerst in Schweigen.

Das Rattern des Automotors machte mich sofort schläfrig. Aber an Schlaf war nicht zu denken, auch, wenn Hiroo und ich mittlerweile gute Kuschelpartner nach Einsätzen waren. Vermutlich hatte ich auf ihrem Schoß besser und ruhiger geschlafen als je auf dem Gelände der UnEsCo, in meinem eigenen Bett.

Ich tat, was ich nach Abenteuern dieser Art immer Tat: Ich rutschte etwas näher zu ihr, lehnte meinen Kopf an ihre Schulter und seufzte ein bisschen.

Meine Hände zitterten noch etwas. In meinem Kopf spulte ich zurück was die anderen gesehen hatten: Ich sah mich selbst, wie ich dem Hausmeister den Arm abhackte, ich sah, wie ich ein Auto zerlegte. Ich sah, wie ich zitternd vor Wut auf der Straße stand und schwankte. Wie Jay nach meiner Hand griff, weil er die Auswirkungen der Portale besser verstand als ich selbst, aber vermutlich hatte er unseren Trainern auch besser zugehört. Ich sah, wie ich innerlich erschlaffte, als die Anspannung nachließ und dennoch saß ich nun hier in diesem Wagen und ich war unruhig. Ich hatte der falschen Person vertraut, war alleine herum gestrolcht, hatte die falschen Schlüsse gezogen. Ich war drauf rein gefallen. Und mich beschlich der Gedanke, dass genau dass der Punkt war, den die Esper machen wollten. Sie hatten mich vorher angezapft, dann manipuliert und ich hatte getan, was sich immer als gut, aber diesmal als schlecht erwiesen hatte: meinem Instinkt vertraut.

Vorsichtig griff ich nach Hiroos Hand. Es mag absurd klingen, aber das Level an Wut, was ich in dem Moment empfunden hatte, als ich dem Hausmeister wehtun WOLLTE, als ich das Auto zerstören WOLLTE, das war eine Kraft, die mich mit ihr verband. Die Wut, die Zerstörung, die Kraft mit der die junge Frau vorging... Ich hatte das Gefühl, dass sie das besser verstehen konnte, als Jay. Auch wenn ich die Wut nicht verstand. Woher sie kam, warum sie da war. Und ich entschloss, dass ich Hiroo darauf ansprechen musste.

"Hiroo?", sagte ich leise. "Ich hab Angst." Und vorsichtig und in der Hoffnung, dass Jackson es nicht hörte, erläuterte ich ihr, dass ich manchmal das Gefühl hatte, dass ich beim Öffnen der Portale eine andere Kraft freisetzte, die mich fremdsteuerte und so viel Zerstörung frei setzte, dass ich sie nicht mehr halten oder kontrollieren konnte.

In Hiroos Kopf ging es gerade noch etwas drunter und drüber. Hatte sie wirklich den Neffen von Jackson auf den Asphalt geschleudert und dabei doch etwas stärker in Mitleidenschaft gezogen? 'What the hell did they think sneaking up on us like that would accomplish?' Doch diese Gedanken verschwanden schnell in den Hintergrund als Gwens Schmuseattacken in einer an sie gerichteten Frage mündeten. Sie hörte ihr aufmerksam zu während der Wagen bereits in voller Fahrt über den links und rechts bewälderten Highway heizte.

"Maybe it is something else that's driving you. A spirit that guides you through a fabric of reality. How do we even know to trust our own eyes. Your powers may be a bit different but still... as long as you feel, you gotta live with that. Even the parts of you that feel apart from you." Sie hielt Gwens Hand etwas fester und schaute sie an. "I can feel you. There's nothing else to guide us. My impulses, however I feel about them, are a part of me. Whatever's behind it, accept that it is a part of you and learn to guide it. I learned it the hard way, and well... I'm not exactly finished learning through all the times I failed in my own eyes. For me it's not about control, it's about becoming true to yourself. And your faults."

"But this is only how I feel about myself. What do you wanna feel when you look upon yourself?" 

"Also...", begann ich und grinste ein bisschen in mich hinein. "Auf meine Augen verlasse ich mich nicht mehr, seit ich acht bin!" Aber ich wurde sofort wieder Ernst. "Aber diese ganze Wut, das alles... Das tut so weh! Von innen heraus. Weißt du was ich meine? Ich weiß nicht, wie ich herausfinde was richtig und falsch ist, wie ich dieses Gefühl unter Kontrolle kriege und dann erlebe ich dich, wie du das Feuer umher schleuderst und irgendwie weißt, was du tust. Und ich finde es so cool, dass du dir nichts von anderen sagen lässt und das du immer weißt, was du willst. Weißt du... Woher soll ich denn wissen was ich sein will oder was ich sein kann, wenn ich das alles irgendwie bin? Wenn ich unendlich wütend bin, wenn die Wut wie Eisen auf meiner Zunge schmeckt, wenn sie pulsiert und wabert und ich kaum mehr denken kann, wenn alles was ich will, nur ist, dass das Gegenüber weg ist. Möglichst schmerzvoll. Und gleichzeitig will ich das gar nicht, weißt du? Da will ich, dass alles in Ordnung ist, in Frieden. Irgendwie gut. Und ich weiß, dass es möglich ist, weil ich mich für einen guten Menschen halte. Und dich. Und Jay. Und Exit. Und all die anderen von denen die Leute sagen sie wären zu speziell und anders. Und ich würde so gerne die beschützen, die es Wert sind beschützt zu sein. Gleichzeitig frage ich mich, warum ausgerechnet ich werten sollte wer das sein soll und wer nicht?

Wenn ich diese Kraft nutze, Hiroo" und meine Stimme wurde noch etwas leiser "Wenn ich die Portale öffne, dann fühle ich gar nichts mehr von der Gwen für dich ich mich halte."

Es war das erste Mal, dass ich das leise Aussprach. "Wenn ich groß bin, wäre ich gern mehr wie du. Stark und selbstbewusst und genau dann lieb, wenn es wichtig ist." Mit diesen Worten drückte ich sie sehr fest und lies mich dann in den Sitz zurück sinken.

"Danke.", sagte ich noch ein wenig kleinlaut. "Aber sag mal... Ist bei dir alles okay? Du hast doch den einen Kerl ganz schön weg geklatscht, oder? Lebt... Also... Lebt der noch?" 

Wenngleich Exit von der Unterhaltung seiner Teamkameraden nichts mitbekam, sie hätten sich noch so laut unterhalten können, so kochte auch in ihm eine unbändige Wut. So eine Wut, wie sie nur von Enttäuschung rühren kann. Nicht, weil die Mission nicht wie geplant verlief. Seine Teamkameraden waren geradezu großartig gewesen. Nein, Exit hatte sich selbst enttäuscht. 

Ja, die Verwandlung in die dicke Dame war ihm geglückt. Und dennoch hat er keine Rolle gespielt. Nicht in dieser Mission. Hinterher gerannt ist er. Im entscheidenden Moment. Wofür hatte er eigentlich so viel trainiert, wenn er es nicht einmal schaffte zivile Personen vor einfachen Soldaten zu beschützen? Nicht einmal vor einem Hausmeister. Nur, weil er nicht schnell genug war. Ja, für die kleine Gwen oder die heißblütige Hiroo war das kein Problem. Die sind großartig im Kämpfen auf Entfernung. Selbst Jay konnte helfen, indem er das Auto davon abhielt zu flüchten. Nur Exit hinkte hinterher. Er, der so gern Held sein wollte. Und wer ist schon ein Held, der sich in der Öffentlichkeit nicht als ein Solcher beweisen kann?

Was würde Mrs. Marple sagen, wenn sie ihn jetzt so sehen könnte? Würde sie ihm erklären, dass das doch nicht so schlimm sei? Wäre sie auch enttäuscht? Würde sie ihm sagen, dass das mit dem Held werden doch auch nur wieder eine Schnapsidee von Exit gewesen sei? Das hätte eh keine Zukunft?

NEIN! So war sie nicht. Was machte diese Wut gerade mit ihm? "Exit, reiß dich zusammen!", beschwor er seine Gedanken. Mrs. Marple hätte ihm wahrscheinlich eine Standpauke gehalten, warum er nicht noch mehr gekämpft hatte. Held sein ist der Weg. Das stetig über sich hinaus Wachsen und Herausforderungen meistern. Oder so ähnlich. In solchen Momenten wurde Exit immer wieder gewahr, wie sehr er Mrs. Marple und ihre strenge, fürsorgliche, verständnisvolle Art vermisste.

"So darf es nicht sein! Ich geb nicht auf! Ich werde der stärkste Held, den es je gab!". Diese Worte hätte Exit am liebsten zusammen mit aller Wut aus seinem Körper geschrien. Stattdessen ließ er seinen Blick aus dem Fenster schweifen, um sich nicht mit den Anderen unterhalten zu müssen. So konnten sie auch nicht sehen, wie er die Tränen in seinen Augen wegblinselte.

Exit würde einen Weg finden, seine Schwächen zu überwinden und der Held zu werden, den er in sich versteckt wusste...

Hiroo suchte gerade nach den richtigen Worten für Gwens Frage. Zwischen den anderen war es verdammt still. Vermutlich waren sie noch zu stark in ihren eigenen Gedanken versunken, darüber was gerade abgegangen war. Sie versuchte etwas ruhiger zu sprechen als sie es wohl normalerweise getan hätte. "I think so. He wasn't amused though after getting up again. He was knocked out cold for about half an hour. He didn't even speak a word with me." Hiroo merkte dass auch Gwen sich wohl noch ihren eigenen Zweifeln stellen musste, während sie sich in der doch langsam aufkommenden Wärme im Auto in ihren Sitz kuschelte. Die Schulter leicht zu Gwen gerückt falls sie sich andrücken wollte. "Let's sleep. At least for a while." Langsam aber stetig fiel Hiroo in einen unruhigen Schlaf.

Wenigstens eine Stunde lang blieb es ziemlich ruhig. Die Missionsteilnehmer gaben sich ihren Gedanken oder Träumen hin, und auch Jacksons schriftlicher Kommunikationseifer hatte sich gelegt. So hätte es noch eine Weile weiter durch die Wälder von Süd-Manitoba gehen können, wenn nicht die Teamleitung sich irgendwann vorgebeugt hätte, auf dem Navigator herumgetippt und dann Jays schnellem Seitenblick begegnet wäre. "Nächste Abbiegung links." lautete der Auftrag. Der junge Mann wusste noch, dass das nicht dem ursprünglichen Plan entsprach, aber als er auf den Monitor blickte, war er dunkel.

Nicht alle bekamen etwas von diesem Moment mit, auch die Rechtskurve ging unauffällig von Statten. Der darauffolgende Schotterweg, auf dem Jay nur sehr langsam fahren konnte, ließ einige dann doch aufsehen, und erst recht, dass er auf Jacksons Aufforderung hin bald am rechten Rand stehenblieb. Ab da begann alles, was UnEsCo-Missionen und ihren Rückreisen schon immer merkwürdig gewesen war, surreal zu werden. "Pinkelpause!" verkündete Jackson und schwang kraftvoll die Tür auf, aus der sie in einen Graben trat. "Alleman aussteigen!"

Jay war irritiert. Die Anweisung schien aus keinem für ihn nachvollziehbaren Grund zu erfolgen. Was hatte Jackson dazu bewogen, plötzlich in diesen gottverlassenen Wäldern abbiegen zu wollen? Im Grunde wusste Jay, dass seine Vorgesetzte immer mal wieder Dinge tat, die er so nicht erwartet hatte und/oder die er auch erstmal nicht verstand. Er tat, wie ihm geheißen und lenkte den Wagen auf den Waldweg, der von dem geteerten Highway abzweigte. Was jetzt kam, irritierte ihn nur noch mehr. Seit wann machten sie Pinkelpausen? Jay hatte den leisen Verdacht, dass das nur ein Vorwand war. Aber wofür? Leicht angespannt durch die Unsicherheit, wie sich die Situation entwickeln würde, stieg der junge Mann aus. Während er sich zu den anderen gesellte, behielt er die Umgebung im Auge und sperrte die Ohren auf. Man wusste ja nie...

Hiroo wurde abrupt geweckt. Der Motor des Wagens war aus. "What do you mean, Allemagne? Are we in Germany?" Hiroo stieg zur Fahrerseite aus und stiefelte den anderen hinterher. "Jay." Hiroo kam auf ihn zu. "Did you take the wrong turn? Where the hell are we?"

Jays Aufmerksamkeit wurde jäh umgelenkt, als Hiroo hinter dem Wagen hervorkam. Er drehte sich zu ihr um. "I have no idea. I only did what I was told to." Sein Blick schwenkte zu Jackson, die bereits den Grabenkluft erstiegen hatte.

"Germany 1989." Jackson sprach diesen Satz wie einen Seufzer aus, und laut genug, dass alle ihn hören konnten. Ob alle das taten, schien ihr zunächst egal zu sein, denn sie begann, gemütlich vom Wagen und der Richtung der Landstraße wegzuschlendern. Ein Duzend Schritte nur, dann blieb sie stehen und schaute in den Wald hinein wie in eine weite Ferne. "Has it been 40 years now?" fragte die Leitung des Trainingszentrums einen unbekannten Adressaten. "My first very own mission. Wir sind das Volk." Der letzte, fremdsprachliche Satz war zum Murmeln geworden, doch Jackson setzte nach einem kurzen Innehalten wieder in erzählerischem Ton an. "You know, it's important to trust in your people, your leaders. But sometimes, you know, after fourty years and a bit, some walls will crumble eventually. You have to chose what side you want to stand on when it happens.  Hopefully, this time again it will be the end of a war, not the beginning." 

Ich kroch vorsichtig und verschlafen aus dem Auto. "Ich muss gar nicht pullern.", murmelte ich, rieb mir die Augen und rutschte vom Sitz, sodass meine Füße den Boden berührten. Ich gähnte.
Jackson sprach über Krieg, irgendeine Sprache und 1989. *Zeitreisen?*, überlegte ich kurz und rieb mir mit den Händen nochmal über das Gesicht. *Wach werden, Gwenny, werd wach!*, sagte ich mir und räusperte mich bevor ich vorsichtig auf die Knie ging und den Boden betastete. Neues Territorium, hier war ich noch nie, also wie weit sind alle entfernt? Mit dem leisen summen in meinem Kopf nahm ich die Menschen wahr, die neben dem Auto standen und die Beschaffenheit des Bodens. Ich richtete mich auf.
"Das Ende des Krieges?", fragte ich vorsichtig. "Und... Sie waren schon einmal in Deutschland?"
Vorsichtig versuchte ich meinen Himbeertee aus meiner Tasche zu ergattern. Wenn das so war, dann wollte ich es sehen. Jacksons erster Einsatz? Und dann seufzte ich leise. 1989. Dahin konnte ich nicht sehen. Und es war das erste Mal, dass ich die Grenzen meiner Fähigkeit wirklich blöd fand. Jetzt wäre ich wenigstens neugierig gewesen.
"Beenden wir einen Krieg?", murmelte ich deshalb. "Oder starten wir einen?"

Gwendolyn wirkte noch verschlafen, als sie diese Fragen in Richtung Jackson stellte, aber als die Missionsleitung sich umwandte, begegnete sie dem Mädchen mit einem unglaublich müden Blick. Die Frau sah wirklich alt aus im diesem Moment. "Wir werden das tun, was wir tun müssen. Gerade, wenn es uns keine Wahl lässt." kam als Antwort gewohnt kryptisch zurück, aber dann winkte Jackson ihre Rekruten auf eine seltsam vertrauliche Weise zu. Sie hatte einen -vielleicht vergessenen, jedenfalls reichlich modrigen Baumstammhaufen anvisiert,  der die einzige Attraktion der Lichtung zu sein schien, und platzierte ihren knochigen Körper halb lehnend, halb sitzend auf ihm. "Was wir sind? Die United Esper Coorporation."  fuhr Jackson fort, fast flüsternd und offensichtlich einen Slogan zitierend.zitierend, den die Zentrumbewohner schon oft gesehen hatte. "Der sicherste Ort der Welt für Esper." Das Flüstern ging kurz in eine Art verschlucktes Kichern über. "Nicht länger, Kinder, nicht länger."